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Anschaffung einer Videoüberwachungsanlage in einer Eigentümergemeinschaft ist nicht immer zustimmungspflichtig, §§ 22 I, 14 Nr. 1, 21 Abs. 8 WEG, 6b BDSG
BGH Karlsruhe, AZ: V ZR 220/12, 24.05.2013
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Der Eingangsbereich einer Wohnungseigentumsanlage kann mit einer Videokamera überwacht werden, wenn ein berechtigtes Überwachungsinteresse der Gemeinschaft das Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers und von Dritten, deren Verhalten mitüberwacht wird, überwiegt und wenn die Ausgestaltung der Überwachung unter Berücksichtigung von § 6b BDSG inhaltlich und formell dem Schutzbedürfnis des Einzelnen ausreichend Rechnung trägt.

Die Entfernung der Überwachungsanlage ist nur dann die einzige Möglichkeit, das Gemeinschaftseigentum ordnungsmäßig zu verwalten, wenn eine solche Videoüberwachungsanlage in einer Eigentumswohnungsanlage überhaupt nicht installiert werden dürfte oder wenn die Voraussetzungen für ihren ordnungsmäßigen Betrieb in der Wohnanlage der Parteien nicht hergestellt werden könnten.

Werden die Voraussetzungen von § 6b BDSG nicht beachtet, führt dieser Umstand zwar nicht zu einer Beseitigung der Videoanlage, wohl aber zu einer Stilllegung bis zur Behebung der fehlenden Voraussetzungen.

Der Stilllegung steht eine fehlende Vorbefassung der Wohnungseigentümer (dazu Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88, 93 Rn. 15) nicht entgegen. Die Klägerin hat den Abbau der Anlage und damit als weniger weit gehende Maßnahme auch die Stilllegung beantragt. Die Wohnungseigentümer haben die Entfernung der Anlage abgelehnt, weil sie die Überwachung weiterbetreiben wollen.

Haben die Wohnungseigentümer die Überwachungsanlage mehrheitlich zum vorübergehenden Gebrauch beschlossen, kann ein Eigentümer bei einem dauernden Gebrauch die Rechtmäßigkeit dieser Fortbenutzung auch dann gerichtlich überprüfen lassen, wenn der Beschluss zur vorübergehenden Nutzung rechtskräftig geworden ist.

Ein Wohnungseigentümer kann zwar grundsätzlich nicht verlangen, dass ein bestandskräftiger Beschluss nicht oder nicht mehr ausgeführt wird. Der einzelne Wohnungseigentümer kann aber jedenfalls die Änderung eines solchen Beschlusses verlangen, wenn schwerwiegende Gründe das Festhalten an dem Beschluss als treuwidrig erscheinen lassen.

Nach § 6b BDSG muss sowohl der Zweck der Überwachung bestimmt sein, als auch die Frage, für welche Zwecke die Aufzeichnungen von wem verwendet werden dürfen, dass sie in einer festzulegenden kurzen Frist zu löschen sind und wie die Einhaltung dieser Vorgaben sichergestellt werden soll.
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zwei wesentliche Grundsätze dar, die in der Praxis von den Instanzgerichten häufig übersehen Werden.

Zum einen führt ein rechtskräftiger Beschluss einer Eigentümerversammlung nicht immer zur abschließenden Bestandskraft. Insbesondere wenn veränderte Umstände die Interessen und Rechte eines Eigentümers stark beeinträchtigen, kann dieser die Änderung des bestandskräftigen Beschlusses verlangen.

Zum anderen stellt der BGH klar, dass ein zu weit gefasster Verpflichtungsantrag nicht zur vollständigen Klageabweisung führen darf, wenn in diesem Antrag ein weniger weit gehender Antrag enthalten ist, der zulässig und begründet ist.

Die Rechtsauffassung des BGH zur Zulässigkeit von Videoanlagen in Wohnungseigentümergemeinschaften wird man zur Kenntnis zu nehmen haben, unabhängig davon, wie man zu dieser Rechtsauffassung steht. Je nachdem, ob man der von der Überwachung Betroffene oder der Nutznießer ist, werden sich immer genügend Argumente für das Für und Wider im Einzelfall finden, so das der BGH hier nur eine grundsätzliche Klärung erreichen konnte.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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