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Wohnungseigentümer haftet bei Beschädigung seines Sondereigentums durch bedingte Reparaturen am Gemeinschaftseigentum für Mehrkosten bei hochwertiger Sonderaussattung §§ 14 Nr. 1, 22 Abs. 1 WEG
AG Stuttgart, AZ: 62 C 6646/10, 22.03.2011
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Verursacht eine Änderung eines Sondereigentums bei einer Reparaturmassnahme am Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft Mehrkosten, so kann die Gemeinschaft diese Mehrkosten, sofern sie 120 % der Kosten übersteigen, auf den Sondereigentümer übertragen.

Das Maß der Übertragung orientiert sich am Einzelfall und an den Kosten, die ohne die Änderung angefallen wären. Die Mehrkosten sowie die Zustimmungsbedürftigkeit der Änderung sind allenfalls nachrangige Kriterien.

Es ist sachgerecht, dem Sondereigentümer diese Änderung nicht zu versagen, ihn in seinem Selbstverwirklichungsrecht nicht einzugrenzen, aber Folgeschäden und -kosten aber von ihm selbst tragen zu lassen, jedenfalls soweit diese über eine gewisse Schwelle hinaus reichen, die noch von den Anderen akzeptiert werden müsste.
Die Entscheidung des Amtsgerichts überzeugt nicht.

Es ging in der vorliegenden Entscheidung darum, ob ein Eigentümer, der bei Reparaturen am Gemeinschaftseigentum Eingriffe in sein Sondereigentum dulden muss, anteilig selber für Mehrkosten einzustehen hat. Das AG Stuttgart hat eine generelle Regelung entgegen § 16 Abs. 4 WEG durch Beschluss für zulässig erachtet.

Nach diesseitigem Dafürhalten ist der gefasste Beschluss sogar nichtig, da der Gemeinschaft wegen § 16 Abs. 4 WEG für eine generelle Regelung die Beschlusskompetenz fehlt.

Aber auch in anderer Hinsicht ist die Entscheidung zweifelhaft.

Vorliegend ging es um die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass Platten aufgrund ihrer Größe nicht mehr von Hand bewegt werden konnten und daher nur unter Zuhilfenahme eines mit zusätzlichen Kosten verbundenen Saugkranes zu bewegen wären, was zu Lasten des jeweiligen Sondereigentümers gehen sollte.

Leider hat das Amtsgericht in seiner Entscheidung nicht festgestellt, ob die Balkonoberböden im Sondereigentum oder Gemeinschaftseigentum mit Sondernutzungsrecht stehen. Zumindest die Balkonböden sind überwiegend als Sondereigentum vereinbart.

In dem Falle obliegt es aber dem jeweiligen Sondereigentümer, die Ausstattung seines Sondereigentums selber zu bestimmen. Im Falle der Inanspruchnahme des Sondereigentums durch die Eigentümergemeinschaft bei notwendigen Reparaturmassnahmen haftet die Gemeinschaft dem Sondereigentümer nach den grundsätzen des Aufopferungsgedanken.

Wollte man eine hochwertigere Ausstattung eines Sondereigentümers in seinem Sondereigentum als bauliche Veränderung werten, so bedeutet dies, dass jede Art von Mehrkosten gegenüber einem von der Eigentümergemeinschaft festgelegten Standard zusätzlich vom Sondereigentümer trotz eines Aufopferungsanspruches gegen die Gemeinschaft zu tragen wären.

Nach der Auffassung des Amtsgerichts könnte die Eigentümergemeinschaft letztlich nicht nur festlegen, welcher Bodenbelag auf dem Balkon, sondern auch in der Wohnung selber zu verlegen ist, um bei Reparaturmassnahmen eine für die Eigentümergemeinschaft möglichst kostengünstige Behebung zu gewährleisten. Die widerspricht dem Wohnungseigentumsrecht und verletzt die Rechte aus dem Eigentum aus Art 14 GG.

In letzter Konsequenz würde die bedeuten: Erfurter Rauhfaser-Tapete statt Seidentapete. Denn bei einem Aufbruch der Wohnzimmerwand zwecks Reparatur eines Leitungsrohrbruches sind die Wiederherstellungskosten einer kostengünstigen Tapete wesentlich geringer. Dies müsste der Sondereigentümer bei der gestaltung seines Eigentums künftig berücksichtigen, sollte diese Rechtsprechnung Zuspruch finden.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von Rechtsanwalt Frank Dohrmann, Bottrop
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