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Zur zulässigen Klageerweiterung in der Berufungsinstanz / über dem Gutachten liegendes Restwertangebot verpflichtet nur bei seiner Verbindlichkeit; §§ 249, 254, 242 BGB
BGH Karlsruhe, AZ: VI ZR 219/98, 30.11.1999
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Nach einem Verkehrsunfall, für den unstreitig eine Eintrittspflicht des Schädigers besteht, streiten die Parteien nur noch um den der Schadensabwicklung zu Grunde zu legenden Restwert des mit Totalschaden verunfallten Fahrzeugs. In einem von dem Geschädigten eingeholten Sachverständigengutachten ist dieser mit 5.500 DM netto ausgewiesen. Demgegenüber wurde auf ein Angebot eines Restwertaufkäufers in Höhe von 10.000 DM brutto hingewiesen. Der Geschädigte wandte sich daraufhin an den Restwertaufkäufer, erhielt von diesem zunächst aber keine Antwort, sodass er das Fahrzeug zu dem im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Restwert veräußerte. Der Schaden wurde ihm jedoch lediglich unter Berücksichtigung eines Restwerts von 10.000 DM brutto ersetzt.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass der Geschädigte im Totalschadensfall grundsätzlich nur Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes des verunfallten Fahrzeugs verlangten kann. Dabei hat er sich im Rahmen seiner aus §§ 254, 242 BGB folgenden Schadensminderungspflicht wirtschaftlich zu verhalten. Denn auch bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs muss der Geschädigte sich grundsätzlich im Rahmen der wirtschaftlichen Vernunft halten. Dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte im Allgemeinen genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung durch § 249 S. 2 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwertes verkauft oder in Zahlung gibt. Das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen bildet in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwertes, sodass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zugrunde legen darf. Der Schädiger kann den Geschädigten insbesondere nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einen Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielen könnte.
Der Geschädigte kann in besonderen Fällen aber gehalten sein, von dieser zulässigen Verwertung Abstand zu nehmen und andere sich ihm darbietende Möglichkeiten der Verwertung im Interesse der Geringhaltung des Schadens im Rahmen des Zumutbaren zu ergreifen. Derartige Ausnahmen, die der Schädiger zu beweisen hat, sind jedoch in engen Grenzen zu halten, weil anderenfalls die dem Geschädigten nach § 249 S. 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde. Danach muss sich der Geschädigte nur dann einen höheren Erlös zurechnen lassen, wenn der Schädiger ihm eine ohne weiteres zugängliche günstigere Verwertungsmöglichkeit nachweist.

Allerdings genügt der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung nicht, wenn der Geschädigte sich erst noch um deren Realisierung bemühen muss. Von einer Verpflichtung, zu einem höheren Wert an einen Restwertaufkäufer zu veräußern, kann daher nur dann ausgegangen werden, wenn ein bindendes Angebot vorliegt und dieser auch bereit wäre, das Fahrzeug auf eigene Kosten an seinen Geschäftssitz zu transportieren. Solange der Schädiger dies nicht vorgetragen und bewiesen hat, genügt der Geschädigte seiner Schadensminderungspflicht, wenn er das Fahrzeug zu dem im Gutachten ausgewiesenen Restwert in Zahlung gibt oder veräußert.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von Rechtsanwalt Frank Dohrmann, Bottrop
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