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Beschlussersetzungsklage Wirtschaftsplan - Für Nebenintervenienten gelten keine Verspätungsvorschriften im Prozess (sehr fraglich)
LG Düsseldorf, AZ: 19 S 59/24, 05.12.2024
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Ein Nebenintervenient kann gemäß §§ 66 Abs. 2, 67 ZPO wirksam Rechtsmittel
gegen eine im Verfahren ergangene Entscheidung einlegen.

Anders als der einfache Nebenintervenient kann der streitgenössische Nebenintervenient Rechtsmittel auch dann einlegen, wenn dies dem Willen der Partei nicht entspricht. Ebenso kann er einem durch die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft erklärten Anerkenntnis widersprechen, und zwar auch dann noch, wenn er im ersten Rechtszug noch nicht beigetreten war und seinen Beitritt gemäß §§ 66 Abs. 2, 70 ZPO erst in Verbindung mit der Einlegung eines Rechtsmittels erklärt.

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschlussersetzungsklage über einen Wirtschaftsplan ist gegeben, wenn ein Wirtschaftsplan zur Beschlussfassung auf einer Eigentümerversammlung stand und es zu keiner positiven Beschlussfassung gekommen ist.

Der Umstand, dass die Kläger einen spezifisch auf die Genehmigung des Wirtschaftsplans gerichteten Antrag gestellt haben, ist unschädlich. An den Wortlaut eines konkreten Klageantrags ist das Gericht im Rahmen der Beschlussersetzungsklage nicht gebunden und abweichend von diesem ermächtigt, diejenigen Maßnahmen anzuordnen, die nach billigem Ermessen notwendig sind, um dem Rechtsschutzziel des klagenden Eigentümers zu entsprechen.

Wendet sich ein Wohnungseigentümer mit der Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags, hat er hiermit nur dann Erfolg, wenn lediglich die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit das Ermessen auf Null reduziert war. Dies ist nicht der Fall, wenn es zulässige Alternativen zu dem beantragten Vorgehen gibt. Es verhält sich insofern anders als bei der Beschlussersetzungsklage, die trotz eines auf eine bestimmte Maßnahme gerichteten Klageantrags schon dann begründet ist, wenn die Voraussetzungen für die Ersetzung eines so genannten Grundlagenbeschlusses vorliegen.
Die Entscheidung des LG Düsseldorf weist im prozessualen Bereich einige Fallstricke auf, die diskussionswürdig sind:

1. Dass ein Miteigentümer auch gegen ein Anerkenntnisurteil der Gemeinschaft Berufung einlegen kann, steht außer Frage. Die wesentlich interessantere Frage hat das LG Düsseldorf trotz entsprechenden Vortrages leider nicht erkannt.

Nach § 67 ZPO muss der Streitgenosse das Verfashren in der Lage annehmen, in welcher es sich zum Zeitpunkt des Beitritts befindet. Das bedeutet, dass er sich insbesondere insbesondere verspäteten Vortrag zurechnen lassen muss.

Vorliegend war der Nebenintervenient rechtzeitig über die Klage und das beabsichtigte Anerkenntnis der beklagten GdWE informiert worden und seitens der Verwaltung um entsprechende Anweisung gebeten worden. Weder die Gemeinschaft, noch der Nebenintervenient haben erstinstanzlich vorgetragen. Nachdem sämtliche Stellungnahmefristen abgelaufen waren, wurde erstmalig mit der Berufungsbegründung Monate später erstmalig völlig neuer Sachvortrag zur Akte gereicht. Anders als Rechtsansichten war neuer Sachvortrag in zweiter Instanz verspätet.

Das LG Düsseldorf hat sich über sämtliche Verfahrensvorschriften (vgl. § 296 ZPO) hinweggesetzt und das Verfahren in zweiter Instanz neu aufgerollt.

Sollte sich diese Praxis durchsetzen, wären WEG-Klagen künftig nicht nur einem erhöhten Kostenrisiko augesetzt, sondern die Amtsgerichte wären als reine Durchgangsstation degradiert, da jeder Miteigentümer unabhängig vom Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens der jeweils unterlegenen Partei als Streithelfer beitreten kann und mit der Berufung nicht nur doppelte Anwaltskosten produzieren könnte, sondern ein völlig neues Verfahren unter Umgehung der ersten Instanz führen könnte.

2. Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts ist in zweifacher Hinsicht bedenklich. Vorliegend hat die Berufung und erstmalig in zweiter Instanz erfolgter Sachvortrag zu einer doppelten Kostenbelastung geführt, so dass das LG Düsseldorf, wenn es schon verspäteten Sachvortrag in zweiter Instanz zulässt, zumindest im Rahmen der Kostenentscheidung hätte berücksichtigen müssen, dass die Kosten für die zweite Instanz bei rechtzeitigem Sachvortrag wahrscheinlich nicht entstanden wären und ihre Ursache in einer nachlässigen Prozessführung des Streigenossen hat.

Dass die Anfechtung des Negativbeschlusses, keinen Wirtschaftsplan zu beschließen, auch noch mit einer teilweisen Klageabweisung in zweiter Instanz und entsprechender Kostenfolge honoriert wird, nachdem das Landgericht den Wirtschaftsplan - nicht notwendigerweise - geringfügig nach unten korrigert hat, mit der Begründung, der beantragte Wirtschaftsplan hätte nicht wie in der Einladung angekündigt beschlossen werden müssen, ist schwer zu vermitteln.

Die Kammer hat auch insoweit verkannt, dass jeder Eigentümer einen Anspruch auf einen Wirtschaftsplan besitzt und der Beschluss, keinen Wirtschaftsplan zu beschließen, widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Ein Ermessen der Gemeinschaft besteht insoweit nicht.

Allenfalls lässt sich über die Höhe des Wirtschaftsplans streiten. Die Höhe des Wirtschaftsplans war aber gerade nicht Gegenstand der Anfechtungsklage, wie das LG Düsseldorf verkannt hat, sondern Gegenstand der Beschlussersetzungsklage. Denn die GdWE hätte auf der Versammlung vom angekündigten Wirtschaftsplan nach unten abweichen und einen geringeren Wirtschaftsplan beschließen können. Sie hat sich aber dazu entschieden, keinen Wirtschaftsplan zu beschließen. Nur dieser Beschluss war angefochten worden.

Nach Auffassung des LG Düsseldorf ließe sich sonst ein Beschluss, keinen Wirtschaftsplan zu beschließen, niemals erfolgreich anfechten, da aufgrund der Prognose des Wirtschaftsplans immer ein Ermessen bzgl. der Höheer einzustellenden Kosten besteht und eine Reduzierung auf Null niemals in Betracht kommen kann.

3. Glücklich konnten die Kläger zumindest darüber sein, dass das LG Düsseldorf nicht auch noch seine Androhung der Zurückverweisung wahrgemacht hat. Dann wäre der Kammer das Verfahren komplett entglitten und der Gemeinschaft außer Kosten nichts verblieben.

Mit Rückverweisung an das Amtsgericht hätte im Jahre 2025 erneut über den Wirtschaftsplan 2024 verhandelt werden müssen. Da ein Wirtschaftsplan für ein bereits abgelaufenes Jahr nicht rückwirkend beschlossen werden kann, hätte das Verfahren für erledigt erklärt werden müssen und die Gemeinschaft stünde weiter ohne Wirtschaftsplan dar, dafür aber mit Anwalts- und Gerichtskosten für insgesamt drei "Instanzen", die sich auf mehr als 50% des begehrten Wirtschaftsplans summiert hätten.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop