Kostenlose Urteile und Gerichtsentscheidungen

Detailansicht Urteil

Bestandskräftiger rechtswidriger Wirtschaftsplan mit Bindungswirkung für die Jahresabrechnung ???
LG Lüneburg, AZ: 9 S 30/11, 06.09.2011
Entscheidung
im Volltext
herunterladen
Ein vor dem 01.07.2007 gefasster Beschluss, der ohne Öffnungsklausel in der Teilungserklärung den Kostenverteilerschlüssel ändert, ist nichtig.

Wiederholt genehmigte Jahresabrechnungen nach einem der Teilungserklärung widersprechenden Maßstab rechtfertigen keine Beibehaltung dieser Praxis für die Zukunft.

Nicht jede langjährige Übung stellt eine konkludente Vereinbarung dar. Erforderlich wäre vielmehr, dass sämtliche Eigentümer bewusst eine dauerhafte Regelung schaffen bzw. bewusst eine dauerhafte abweichende Praxis schaffen wollten. Dafür muss feststehen, dass sämtliche Wohnungseigentümer eine jahrelange Praxis in dem Bewusstsein ausüben, die bisherige Regelung zu ändern und durch eine neue ersetzen zu wollen. Die entsprechende zu ändernde Vereinbarung muss den Eigentümern dabei positiv bekannt sein.

Jedoch konnten die Eigentümer darauf vertrauen, dass nach den Vorgaben des Beschlusses vom 26.05.1997 auch für das Jahr 2008 abgerechnet werden würde, denn dieser Verteilungsschlüssel war nicht nur jahrelang angewendet worden, sondern vor allem dem bestandskräftig beschlossenen Wirtschaftsplan für 2008 zugrunde gelegt worden.

Nach der Rechtsprechung des BGH können die Wohnungseigentümer aus einem Wirtschaftsplan die berechtigte Erwartung herleiten, der bisherige Verteilungsschlüssel werde jedenfalls nach Ablauf des Abrechnungsjahres nicht mehr geändert (BGH NJW 2011, 2202 f.).

Diese Fallkonstellation unterscheidet sich indessen von der hier vorliegenden. Hier stand nicht eine Änderung des Verteilerschlüssels in Rede, sondern die Anwendung des richtigen Verteilungsschlüssels aus der Teilungserklärung und die Abkehr von der Regelung im nichtigen Beschluss aus dem Jahre 1997. Die Interessenlage ist indessen vergleichbar, denn die Wohnungseigentümer hatten in beiden Fällen auf die Fortdauer der im Wirtschaftsplan vorgesehenen Kostenverteilung vertraut und konnten ihre Dispositionen im Laufe des Abrechnungsjahres darauf einrichten.
Die Entscheidung des LG Lüneburg dürfte fehlerhaft sein. Eine fehlerhafte Kostenverteilung ist nicht mit einer beschlossenen (rückwirkenden) Kostenänderung vergleichbar.

Auch ist der vorläufige, auf Schätzungen beruhende Wirtschaftsplan nicht mit einer verbindlichen, abschließenden Jahresabrechnung vergleichbar. Die Bestandskraft des Einen schließt die erfolgreiche Anfechtung des Anderen nicht aus.

Anderenfalls würde die berechtigte Anfechtung einer Jahresabrechnung von einer zuvor erfolgten Anfechtung des Wirtschaftsplans abhängen.

Dieses Ergebnis wäre insbesondere bei einem zwischenzeitlichen Eigentümerwechsel unvertretbar.
Entscheidung im Volltext herunterladen
Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: