Rückwirkend beschlossene Sonderumlage ist nichtig/ Jahresabrechnung darf Sonderumlage nicht als neue Zahlungsverpflichtung ausweisen.
LG Dortmund, AZ: 1 S 153/2021, 01.03.2022
Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer zur Genehmigung eines Wirtschaftsplans besteht nur für ein noch nicht abgelaufenes Kalenderjahr. Die Nichtigkeit folgt aus dem Fehlen einer Beschlusskompetenz.
Nach dem Ablauf des Kalenderjahres besteht gem. § 28 Abs. 1 WEG a.F. i.V.m. § 28 Abs. 2 WEG a.F. eine Beschlusskompetenz nur für die Genehmigung der Jahresabrechnung, die - sofern ein Wirtschaftsplan besteht - eine Korrektur des Wirtschaftsplans auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Abrechnung bekannten tatsächlichen Zahlungsflüsse nach dem Zu- und Abflussprinzip darstellt.
Mit Ablauf des Wirtschaftsjahres besteht kein Bedürfnis mehr dafür, Vorschüsse einzufordern. Fehlt es an einem Wirtschaffsplan, egal ob er für unwirksam bzw. nichtig erklärt ofür erst gar nicht erstellt worden ist, besteht keine Rechtsgrundlage für die Einzahlung von Vorschüssen.
Die tatsächlichen Zahlungsflüsse stehen fest und können, da die Abrechnungsreife des vorangegangen Jahres zum 01.01. des Folgejahres eintritt, abgerechnet werden.
Fehlen Gelder mangels Wirtschaftsplan und zwischenzeitlich noch nicht erfolgter Abrechnung kann die Liquiditätslücke mit einer Sonderumlage nur für das Wirtschaftsjahr ausgeglichen werden. Die Erhebung einer Sonderumlage scheidet aus. Dies gilt gerade auch im vorliegenden Fall mit der Besonderheit, dass Gelder letztlich nicht gefehlt haben, sondern von einem Eigentümer im abgelaufenen Kalenderjahr bereits komplett gezahlt worden sind. Dann aber hat der Ausgleich ausschließlich über die Abrechnung zu erfolgen.
Etwas anderes gilt lediglich in den Fällen, in denen die Eigentümer aufgrund eines formal nichtigen Beschluss aus dem jeweiligen Wirtschaftsjahr bereits im laufenden Wirtschaftsjahr Zahlungspflichten zunächst begründet und diesen so als formal nichtig erkannten Beschluss sodann durch einen inhaltsgleichen Zweitbeschluss im Nachfolgejahr ersetzt haben.
Darüber hinaus verfängt das Argument der Sicherung der Liquidität der Gemeinschaft nicht. Denn dem aktuellen Finanzbedarf der Gemeinschaff bei Liquiditätsengpässen ist ohne weiteres durch die Aufstellung eines entsprechenden Wirtschaftsplanes für das laufende Kalenderjahr Rechnung zu tragen bzw. durch die Ergänzung eines solchen Wirtschaftsplans im laufenden Kalenderjahr in Form einer Sonderumlage.
Dies gilt umso mehr, wenn zwischenzeitlich bereits eine Abrechnung erstellt und beschlossen wurde, auch wenn diese erfolgreich angefochten wurde. Denn durch die zusätzliche Einstellung der bereits ind er Sonderumlage beschlossenen Kosten käme es zu einer doppelten Zahlungsverpflichtung der Wohnungseigentümer.
Sinn und Zweck eines Wirtschaftsplans oder einer Sonderumlage als Ergänzung zum Wirtschaftsplan ist es, Vorschüsse für das laufende Wirtschafisjahr zu begründen, um die Liquidität im jeweiligen Wirtschafisjahr sicherzustellen. Die Vorschüsse können indes nicht mehr begründet werden, wenn das Wirtschafisjahr bereits abgelaufen und - wie hier - sogar abgerechnet worden ist.
Aus der Systematik der §§ 48 Abs. 4 WEG a.F. und 46 Abs. 2 WEG a.F. folgt des Weiteren, dass in den Fällen, in denen bei einer Anfechtungsklage die Nichtigkeit übersehen worden ist, auch ein nichtiger Beschluss Rechtswirkung im Übrigen entfaltet, weil der Einwand der Nichtigkeit in weiteren Prozessen gesperrt ist. Da vorliegend der Beschluss zu TOP 6 aus der EigentümerversammIung vom 31.01.2020
aber nicht angefochten worden war - anders als die Jahresabrechnung zu TOP 2 - ist die Kammer gemäß § 46 Abs. 2 WEG a.F. gehalten, etwaige Nichtigkeitsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen.
Die streitgegenstäridIiche Konstruktion führte auch dazu, dass der zum,,Soll" gestellte Betrag niemals im eigentlichen Kalenderjahr erfüllt werden könnte. Denn dann würden Forderungen in Ergänzung des Wirtschaffsplanes des vergangenen Jahres (hier 2019) in die Abrechnung des Folgejahres (hier 2020 - abrechenbar erst im Jahr 2021) verschoben, obwohl die Jahresabrechnung eines Kalenderjahres (hier 2019) nach Rechtsprechung der Korrektur bzw. der Anpassung der Vorschüsse für das abgelaufene Wirtschaffsjahr (hier 2019) dient. Diese Zielrichtung könnte dann mit der Jahresabrechnung 2019 aber nicht mehr erreicht werden.
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Keywords: REchtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop
Die Kammer sieht derartige Beschlüsse zutreffend als nichtig an. Anderenfalls kommt es zu unauflösbaren Abrechnungsproblemen, wenn über Zahlungen eines abgelaufenen Wirtschaftsjahres beschlossen werden muss, die erst im Folgejahr fällig und u.U. geleistet geworden sind. Auch ließen sich die nachträglichen Einnahmen im Folgejahr nicht rückwirkend im Rahmen der vom BGH geforderten Einnahmen- Ausgabenberechnung des bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahres darstellen.