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Wohnungseigentümer kann ohne Ermächtigung nicht mehr auf Beseitigung baulicher Veränderungen klagen; §§ 9a Abs. 2 WEG; 1004 BGB
LG Frankfurt am Main, AZ: 2-13 S 155/19, 28.01.2021
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Nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden WEG ist gem. § 9a Abs. 2 Alt. 1 WEG die Gemeinschaft – alleine – im Rahmen einer gesetzlichen Vergemeinschaftung für die Ansprüche aus § 1004 BGB auf Beseitigung von Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums zuständig (Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1421; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 3 Rn. 126 ff.).

Abwehrrechte aus dem Binnenrecht, die nach altem Rech gem. § 15 Abs. 3 WEG aF dem einzelnen Eigentümer zustanden, stehen nach neuem Recht nur noch dem Verband zu, denn gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG besteht eine Verpflichtung zur Einhaltung des Binnenrechts nur gegenüber dem Verband. Der einzelne Eigentümer ist, dies ist ausdrücklich Ziel der Novellierung insoweit (BT-Drs. 19/18791 S. 47), nicht mehr berechtigt, diese Ansprüche geltend zu machen.

Der Kläger kann den Anspruch in diesem Verfahren auch nicht für den Verband geltend machen. Anders als im Gesellschaftsrecht üblich, gibt es im WEG-Recht mit § 19 Abs.1 WEG einen Rechtskonformitätsanspruch, der mit der Beschlussersetzungsklage (§ 44 WEG) auch von der Minderheit gegen die Mehrheit gerichtlich durchgesetzt werden kann. Daher besteht ein Bedürfnis, einem einzelnen Eigentümer die Möglichkeit einzuräumen, für den Verband zu klagen, nicht, hier ist vielmehr das im WEG-Recht für diese Problemsituation entwickelte Prozedere einzuhalten.

Möglich wäre allerdings, dass ein in diesen Fällen stets sachdienlicher und in allen Instanzen möglicher Parteiwechsel auf den Verband (dazu BGH NJW 2016, 53 Rn. 7 ff.) erfolgt oder der klagende Eigentümer zur Geltendmachung der Ansprüche „rückermächtigt“ wird.
Damit liegt eine der ersten veröffentlichten Entscheidungen zum neuen WEG-Recht vor. Ein einzelner Wohnungseigentümer ist nicht mehr berechtigt, Beseitigungsansprüche gegen Miteigentümer bei erfolgten baulichen Veränderungen geltend zu machen. Er hat aber die Möglichkeit den WEG-Verband zu zwingen, gegen die baulichen Veränderungen vorzugehen.

Davon unberührt bleiben zwei Ausnahmen:

1. Der Wohnungseigentümer wird durch die Wohnunseigentümergemeinschaft ermächtigt, Beseitigungsansprüche gegen einen anderen Wohnungseigentümer geltend zu machen.

2. Die bauliche Veränderung führt zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung des Sondereigentums eines betroffenen Wohnungseigentümers (vgl. § 20 Abs. 4 WEG).

(§ 20 Abs 4 WEG führt übrigens zu einer Verschärfung des bisherigen Rechts, als der Gemeinschaft die Beschlusskompetenz für bauliche Veränderungen fehlt, wenn die Veränderungen die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder ein Wohnungseigentümer unbillig benachteiligt wird. Derartige Beschlüsse dürften künftig nichtig sein und auch nach Ablauf der Anfechtungsfristen keine Gültigkeit erlangen.)
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop