Vermieter veräußert Mietobjekt: keine fiktive Schadensabrechnung gegenüber Mieter bei Verschlechterung der Mietsache nach Ende des Mietverhältnisses
LG Duisburg, AZ: 13 S 123/19, 23.11.2020
Gemäߧ 249 Abs.1 BGB hat der Schädiger grundsätzlichden Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ist die Herstellung des schadensfreien Zustands nicht möglich, richtet sich der Anspruchdes Geschädigten auf Kompensation nach § 251 Abs. 1 BGB.
Ob und unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte sog.,,fiktiven" Schadensersatz verlangen kann, eralso den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag von dem Schädiger ersetzt verlangen kann, ohne diesen letztlich ganz oder teilweise für die Wiederherstellung einzusetzen bzw. einsetzen zu müssen, ist umstritten.
In der Rechtsprechung war bis zum Jahr 2018 weitgehend anerkannt, dass eine fiktive Schadensberechnung möglich sei. Der V. Zivilsenat (lmmobiliarsachenrecht) ging grundsätzlich von der Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung aus (BGH, V ZR 198/11); der Senat war aber ursprünglichder Auffassung, dass dieser Anspruch bei Veräußerung des Grundstücks erlösche und dass danach nur noch Wertersatz in der Höhe des Mindererlöses gefordert werden könne (BGH, V ZR 147/80), was er später teilweise für Fälle eingeschränkt hat, in denen zugleich mit der Veräußerung der Immobilie auch der (fiktive) Schadensersatzanspruch an den Erwerber abgetreten werde (BGH, V ZR 435/99).
Der VII. Zivilsenat (Werkvertragsrecht) geht in neuerer Rechtsprechung davon aus, dass eine fiktive Schadensabrechnung für das Werkvertragsrecht nicht mehr möglich sei, wenn der Besteller das mangelhafte Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt (BGH VII ZR 46/17).
Der VI. Zivilsenat hat an seiner Rechtsprechung zu fiktiven Abrechnungen im Verkehrsunfallrecht festgehalten (BGH VI ZR 65/18).
Das LG Duisburg hält die Geltendmachung von fiktivem Schadensersatz im Mietrecht zwar grundsätzlich weiterhin für möglich. Das gilt allerdings ausnahmsweise dann nicht, wenn die Mietsache vor Wiederherstellung des schadensfreien Zustands veräußert wird.
Das Vermögen des Vermieters ist mit der unterbliebenen bzw. nicht ordnungsgemäß erbrachten Leistung geschädigt. Um den geschuldeten Zustand wiederherzustellen, müssten die unterlassenen bzw. nicht fachgerecht durchgeführten Leistungen grundsätzlich nachgeholt bzw. durch Dritte fachgerecht vorgenommen werden, etwa in dem der Vermieter ein Fachunternehmen mit der Vornahme von Schönheitsreparaturen oder Gartenarbeiten beauftragt. Aber auch wenn der Vermieter die geschuldeten Leistungen nicht nachholt, ist sein Vermögen jedenfalls bei Vertragsende vermindert, weil er die Sache dann in einem schlechteren Zustand zurückerhält. Lässt er den Zustand nicht beseitigen, trägt er ebenfalls dauerhafte Vermögensnachteile davon; nutzt er die Sache selbst, bleibt der Vermögensgegenstand im wertgeminderten Zustand in seinem Vermögen; vermietet er sie weiter, könnte er für eine abgenutzte und ungepflegte Sache entweder nur einen geringeren Mietzins erzielen, oder müsste dem neuen Mieter für die Herstellung einen angemessenen Ausgleich (z.B. Erlass einer oder mehrerer Monatsmieten) bieten, oder er müsste andere Nachteile in Kauf nehmen, weil er bestimmte vertragliche Vereinbarungen gemäß §§ 305 ff. BGB nicht mehr auf den neuen Mieter übertragen kann. Solange der Vermieter noch über die Sache verfügen kann, ist sein Vermögen dauerhaft vermindert, sodass es gerechtfertigt ist, dem Vermieter zum Ausgleich dieser Vermögensnachteile fiktiven Schadensersatz zuzubilligen.
Anders stellt sich die Sache indes dar, wenn die Mietsache zu dem für die Berechnung des Ersatzanspruchs maßgeblichen Zeitpunkt veräußert worden ist. Der geforderte Geldbetrag kann nach der Veräußerung der Sache nicht mehr zur Verbesserung derselben genutzt werden, die Wiederherstellung des vertraglich geforderten Zustands wird (subjektiv) unmöglich im Sinne von § 275 BGB. Damit fällt die wesentliche Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 249 Abs. 1, 250 S. 1 BGB weg.
Im Mietrecht haben Verstöße gegen Schönheitsreparatur- oder Gartenpflegeverpflichtungen o.ä. deutlich weniger Einfluss auf den erzielbaren Kaufpreis und führen deshalb entweder zu keinem oder nur zu einem geringfügigen Mindererlös; die Kosten für die Herstellung des vertraglich vereinbarten Zustands werden sich zumeist nicht in einem entsprechenden Mindererlös wiederspiegeln. Denn für eine Vielzahl von Erwerbern wird es gleichgültig oder nur von untergeordnetem Interesse sein, ob die Wohnung ordnungsgemäß tapeziert und gestrichen ist oder die Sträucher im Garten ordnungsgemäß beschnitten wurden, da viele Erwerber die Immobilie ohnehin nachihren eigenen Vorstellungen herrichten möchten. Ein Käufer, der die Räume ohnehin neu tapezieren will, wird keinen fühlbaren Preisnachlass fordern, weil die Wände von dem letzten Mieter unsachgemäß gestrichen worden sind. Hinzu kommt, dass bei einer fiktiven Schadensberechnung auf Grundlage der vormaligen Beseitigungskosten die Gefahr einer Überkompensation des Vermieters bestehen und damit ein Verstoß gegen den allgemein geltenden Grundsatz des Bereicherungsverbotes drohen würde. Es wäre dann nämlich möglich, dass der Vermieter relativ hohe Wiederherstellungskosten von dem Mieter erlangen könnte und das Objekt ohne entsprechende Einbußen weiterverkaufen und den vollen oder nur geringfügig geminderten Kaufpreis bekommen könnte. Diese drohende Möglichkeit einer Überkompensation steht einer fiktiven Schadensabrechnung entgegen (BGH VII ZR 46/17).
Die Behauptung, der durch die Schlechtleistungen hervorgerufene Mindererlös bei Veräußerung sei sogar höher gewesen als die Wiederherstellungskosten, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Klägerin mit der Klage eben nicht den Mindererlös geltendmacht, sondern die fiktiven Schadensbeseitigungskosten.
Das Gericht ist nach § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO gehindert, der Klägerin den Mindererlös (anteilig) zuzusprechen, weil es sich dabei um einen anderen Streitgegenstand handelt.
Verbundene Urteile
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Keywords: Auszug Mieter Mangel Schünheitsreparatur Rechtsanwalt Frank Dohrmann Bottrop Schadenersatz