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Lärmbelästigungen durch Lautäußerungen geistig schwer behinderter Bewohner des Nachbargrundstücks
OLG Köln, AZ: 7 U 83/96, 08.01.1998
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Maßstab für die Duldungspflicht nach BGB § 906 Abs. 1 ist das Empfinden des "verständigen" Durchschnittsmenschen, was bedeutet, dass nicht allein auf das Maß der objektiven Beeinträchtigung abzustellen ist, sondern auch wertende Momente in die Beurteilung einzubeziehen sind (Anschluss BGH, 1992-11-20, V ZR 82/91, BGHZ 120, 239). Insbesondere sind hier die spezifischen Belange der Behinderten zu berücksichtigen; das Diskriminierungsverbot des GG Art. 3 Abs. 3 S. 2 entfaltet insoweit Ausstrahlungswirkung.

Im Lichte des GG Art. 3 Abs. 3 S. 2 muss von einem verständigen Durchschnittsmenschen im nachbarschaftlichen Zusammenleben mit behinderten Menschen eine erhöhte Toleranzbereitschaft eingefordert werden. Dies bedeutet aber nicht, dass den Interessen der Behinderten schlechthin der Vorrang vor den berechtigten Belangen ihrer Nachbarn gebührt. Das Toleranzgebot endet, wo nach umfassender Abwägung zwischen Art und Ausmaß der Beeinträchtigung einerseits und den hinter der Geräuschbelästigung stehenden privaten und öffentlichen Belangen andererseits dem Nachbarn die Belästigung billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann.

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Geräuscheinwirkungen kommt es nicht allein auf die Dauer und die Lautstärke, sondern auch auf die Art der Geräusche an. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Lautäußerungen geistig schwer behinderter Menschen auch von solchen Bürgern als sehr belastend empfunden werden können, die sich gegenüber Behinderten von der gebotenen Toleranz leiten lassen.

Tonbandaufzeichnungen über Lautäußerungen ausschließlich nichtverbaler Art, die jedenfalls für Außenstehende keinen Informationsgehalt haben und keiner bestimmten Person zugeordnet werden können, sind ein zulässiges Beweismittel.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von iurado
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