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Sanierungsbeschluss einer Untergemeinschaft kann von allen Wohnungseigentümern angefochten werden; §§ 10 Abs. 8, 21 WEG
LG Frankfurt am Main, AZ: 2-13 S 168/15, 17.05.2018
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1. Sieht die Teilungserklärung vor, dass gebildete Untergemeinschaften eigenständig Sanierungsbeschlüsse fassen können, schließt dies das Anfechtungsrecht eines Miteigentümers außerhalb der Untergemeinschaft nicht aus.

Denn die übrigen Eigentümer sind gleichwohl einer unmittelbaren Haftung im Außenverhältnis gem. § 10 Abs. 8 WEG ausgesetzt. Die Haftung der Untergemeinschaft im Innenverhältnis ändert nichts an der Haftung im Außenverhältnis.

Alleine diese Möglichkeit der Haftung führt zum Rechtsschutzbedürfnis einer Anfechtungsklage. Daher kann es durchaus dazu kommen, dass ein Eigentümer für Verbindlichkeiten der Untergemeinschaft nach § 10 Abs. 8 WEG im Außenverhältnis einzustehen hat. Die Kompetenzverlagerung in der Gemeinschaftsordnung führt demzufolge nicht zu einer Haftungsfreistellung im Außenverhältnis (LG Hamburg ZWE 2017, 458).

2. Von materiellen Anfechtungsgründen, die fristgebunden vorzutragen sind, sind die Sachurteilsvoraussetzungen abzugrenzen, die nach § 56 ZPO von Amts wegen zu prüfen sind.

Der Einwand, es bestehe eine Präklusion des Vortrags zum Rechtsschutzbedürfnis gem. § 46 Abs. 1 S. 2 WEG mangels Vortrags hierzu in der Klagebegründung, ist nicht durchgreifend. Insoweit handelt es sich bei dem Rechtsschutzbedürfnis um eine Sachurteilsvoraussetzung (vgl. nur BeckOKZPO/Bacher § 253 Rn. 28 ff.). Diese ist nicht von § 46 WEG erfasst.

3. Eine Notmaßnahme nur in dem Umfang zulässig ist, als unmittelbar drohender Schaden abgewendet werden muss. Eine umfassende Sanierung ist jedoch keine Notmaßnahme im Sinne von § 21 Abs. 2 WEG.

4. Ein Beschluss über eine Sanierungsmaßnahme setzt voraus, dass zuvor zumindest drei Alternativangebote eingeholt werden (LG Frankfurt a. M. Beschl. v. 19.04.2017 - 2/13 S 2/17). Nur dann können die Eigentümer den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum auf einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage ausüben.

Die drei Alternativangebote müssen den Wohnungseigentümern vorgelegt werden. Der Verwalter darf keine Vorauswahl treffen.
Das LG Frankfurt geht in Fortführung der Entscheidung des BGH (V ZR 184/16) davon aus, dass einzelne Wohnungseigentümer Sanierungsbeschlüsse von Untergemeinschaften anfechten können, auch wenn sie Mitglied einer anderen Untergemeinschaft sind.Das Rechtsschutzbedürfnis wird mit der Außenhaftung gem. § 10 Abs. 8 WEG begründet.

Auch wenn im vorliegenden Fall die Anfechtung wegen Fehlens von drei Vergelichsangeboten Erfolg hatte, ist nicht auszuschließen, dass ein Sanierungsbeschluss künftig auch wegen einer nicht gesichteren Finanzierung innerhalb der Untergemeinschaft angefochten werden kann. Sofern kein zwingender Sanierungsbedarf besteht, dürften derartige Anfechtungsklagen sogar Erfolg haben, so dass - um das Risiko einer Anfechtung auszuschließen - die Umsetzung des Beschlusses von einer entsprechenden vorherigen Deckung aus Rücklage und/oder Sonderumlage (nebst Zahlungseingang) abhängig gemacht werden sollte.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Instandsetzung Instandhaltung Modernisierung rechtsanwalt Frank DOhrmann Bottrop