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Wohnungseigentümer haften für Kredit unbegrenzt mit dem eigenen Vermögen; §§ 21 Abs. 3, 27 Abs. 1 Nr. 4 WEG
BGH Karlsruhe, AZ: V ZR 244/14, 25.09.2015
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Auch die Aufnahme eines langfristigen, hohen Kredits durch die Wohnungseigentümergemeinschaft kann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.

Voraussetzung ist allerdings, dass das Risiko einer Nachschusspflicht der Wohnungseigentümer vor der Beschlussfassung erörtert wurde; dies muss aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung hervorgehen.

Ob ein Beschluss über eine Kreditaufnahme sich im Übrigen in den Grenzen des den Wohnungseigentümern zustehenden Gestaltungsermessens hält, kann nicht generell, sondern nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der allseitigen Interessen bestimmt werden.

Im (Außen-)Verhältnis zur kreditgewährenden Bank haftet der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG zwar nur nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils. Im Innenverhältnis zur Wohnungseigentümergemeinschaft droht dagegen eine Nachschusspflicht.

Gibt es Zahlungsausfälle bei Wohnungseigentümern, müssen die daraus resultierenden Fehlbeträge durch entsprechend höhere Beiträge der übrigen Wohnungseigentümer oder, wenn sich eine Finanzierungslücke während des laufenden Wirtschaftsjahrs auftut, durch eine Sonderumlage ausgeglichen werden.

Da ein Insolvenzverfahren über das Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft nicht stattfindet (§ 11 Abs. 3 WEG), ist die Nachschusspflicht theoretisch unbegrenzt und trifft auch die Wohnungseigentümer, die den nach dem Verhältnis ihres Miteigentumsanteils zu zahlenden Teil des Darlehens bereits erbracht haben.

Deshalb wird eine längere Laufzeit als zehn Jahre nur in Ausnahmefällen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, etwa dann, wenn die Finanzierung einer unaufschiebbaren Maßnahme andernfalls nicht sichergestellt werden kann.

Den Wohnungseigentümern ist es allerdings nicht verwehrt, liquiden Wohnungseigentümern die Möglichkeit einzuräumen, ihren Anteil sofort zu entrichten, und den Kredit in entsprechend reduzierter Höhe aufzunehmen. Dass Zins- und Tilgungsleistungen dann im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nur von den übrigen Eigentümern zu tragen sind, kann in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 3 WEG beschlossen werden.

Im Außenverhältnis bleibt es allerdings zwingend bei der Haftung aller Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG. Sie kann nur mit Zustimmung des Gläubigers, also etwa dadurch in Wegfall gebracht werden, dass das Darlehen in voller Höhe aufgenommen und den einzelnen Wohnungseigentümern seitens des Darlehensgläubigers das Recht zu Sondertilgungen entsprechend ihrem Miteigentumsanteil unter Befreiung von der Haftung nach § 10 Abs. 8 WEG eingeräumt wird.

Der Beschluss muss hinreichend bestimmt sein. Erforderlich ist die Festlegung der wesentlichen Rahmenbedingungen der Kreditaufnahme. Der Beschluss muss Angaben über die zu finanzierende Maßnahme, die Höhe des Darlehens, dessen Laufzeit, die Höhe des Zinssatzes bzw. des nicht zu überschreitenden Zinssatzes enthalten und erkennen lassen, ob die Tilgungsraten so angelegt sind, dass der Kredit am Ende der Laufzeit getilgt ist, oder ob eine Anschlussfinanzierung erforderlich ist.
Damit hat der BGH noch einmal bestätigt, dass trotz der Teilrechtsfähigkeit der einzelne Wohnungseigentümer bei der Finanzierung einer Sanirungsmaßnahme durch Bankkredit im Außenverhältnis zwar nur gem. § 10 Abs. 8 WEG mit seinem Anteil haftet, im Innenverhältnis aber verpflichtet ist, bei säumigen Miteigentümern weitere Zahlungen nachzuschießen.

Eine Begrenzung hierfür gibt es nicht, so dass der einzelne Wohnungseigentümer mit seinem gesamten Vermögen bis zur Abbezahlung des Kredits im schlimmsten Falle haften kann.

Damit wird der Kauf einer Eigentumswohnung zu einem unabwägbaren Risiko, insbesondere bei größeren Eigentümergemeinschaften.

Wenn das der Wille des Gesetzgebers war, dann sollte man künftig die Mitglieder eines Gesetzgebungsausschusses sorgfältiger auswählen.

Diese BGH-Entscheidung belegt ein weiteres Mal, dass die WEG-Reform von 2007 nicht nur wegen der völlig missratenen ZPO-Anpassung keine Sternstunde deutscher Gesetzgebung war.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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