Kostenlose Urteile und Gerichtsentscheidungen

Detailansicht Urteil

Keine Strafbarkeit einer Oberstaatsanwältin bei Anklageerhebung trotz völlig abwegiger Rechtsauffassung; §§ 344, 356 StGB
OLG Hamm, AZ: III-5 Ws 117/15, 19.05.2015
Entscheidung
im Volltext
herunterladen
Das OLG Hamm hatte über das strafbare Verhalten einer Essener Oberstaatsanwaältin zu befinden, die trotz fehlens eines materiellen Interessenskonfliktes eine Anklage wegen Parteiverrats erhob und führte hierzu stereotyp aus:

Eine Strafbarkeit wegen Verfolgung Unschuldiger gemäß § 344 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass ein Amtsträger, der zur Mitwirkung an einem Strafverfahren berufen ist, absichtlich oder wissentlich einen „Unschuldigen", der der rechtswidrigen Tat materiell nicht schuldig ist, strafrechtlich verfolgt.

Der Täter muss sich seiner Stellung als Verfolgungsorgan bewusst sein.

Darüber hinaus muss der Täter entweder (positiv) wissen, dass er mit seinem dienstlichen Akt jemanden verfolgt, der nicht verfolgt werden darf, oder es muss ihm im Sinne einer Absicht gerade darauf ankommen, einen in diesem Sinne Unschuldigen zu verfolgen, auch wenn er keine sichere Kenntnis von dessen Unschuld hat.

Eine Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB setzt voraus, dass sich ein Amtsträger bei Leitung einer Rechtssache zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig gemacht hat.

Zwar reicht insoweit bedingter Vorsatz bezüglicher sämtlicher Tatbestandsmerkmal aus. Allerdings lässt sich aus dem bloßen Widerspruch der vom Amtsträger vertretenen Rechtsauffassung zu Entscheidungen anderer Amtsträger bzw. Gerichte, zur Gerichtspraxis, zu höchstrichterlichen Entscheidungen, soweit sie nicht z.B. nach § 358 Abs. 1 StPO. bindend sind, oder gar zur sog. herrschenden Meinung für den Vorsatz nichts ableiten.

Vielmehr sind strenge Maßstäbe an den Nachweis des billigenden Inkaufnehmens zu stellen. Danach muss sich der Täter bewusst in schwerwiegender Weise im Sinne eines elementaren Verstoßes gegen die Rechtspflege von Recht und Gesetz entfernen. Der Maßstab der „Unvertretbarkeit" der vom Amtsträger vertretenen Rechtsauffassung wird den Anforderungen der Rechtsicherheit insoweit nicht gerecht.

Unter Berücksichtigung dieser strengen Maßstäbe ließ sich hinreichender Tatverdacht wegen Rechtsbeugung nicht begründen.
Solange ein Staatsanwalt an seinen Rechtsverwirrungen nur fest genug dran glaubt, wird er gegen jeden unbescholtenen Bürger nach Belieben Strafverfahren einleiten dürfen, ohne selbst hierfür rechtlich belangt werden zu können.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Justiz nicht selbst einmal ihren Glauben an sich selbst verliert.
Entscheidung im Volltext herunterladen
Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
Keywords: Parteiverrat Verfolgung unschuldiger Staatsanwaltschaft Wissen Kenntnis Vorsatz Rechtsbeugung Täter Oberstaatsanwalt Generalstaatsanwaltschaft Rechtsanwalt Frank Dohrtmann Bottrop KLageerzwingungsverfahren