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Ein fälschlicher Weise als Wohnungseigentumssache bezeichnetes Urteil ändert nichts an der Zuständigkeit der Zivilgerichte und der Einhaltung der damit einhergehenden Berufungsfristen; §§ 85 Abs. 2, 233 ZPO; 72 Abs. 2 GVG
BGH Karlsruhe, AZ: V ZB 76/11, 14.07.2011
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Wird die Klage einer Wohnungseigentümergemeinschaft gegen einen Dritten in dem erstinstanzlichen Urteil fälschlich als "Wohnungseigentumssache" bezeichnet, darf sich der Rechtsanwalt bei Einlegung der Berufung nicht darauf verlassen, dass die besondere Rechtsmittelzuständigkeit gemäß § 72 Abs. 2 GVG eingreift.

Die besondere Zuständigkeit gemäß § 72 Abs. 2 GVG gilt nämlich nicht für jede Wohnungseigentumssache, sondern nur bei den in § 43 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Binnenstreitigkeiten der Wohnungseigentümer sowie gemäß § 43 Nr. 6 WEG für das Mahnverfahren.

Aus dem von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Grundsatz der Meistbegünstigung ergibt sich nichts anderes, weil allein die Bezeichnung als Wohnungseigentumssache keinen sicheren Rückschluss auf das zuständige Berufungsgericht erlaubt.

Einer Partei muss die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Verfahrenserklärungen nicht allgemein abgenommen und auf unzuständige Gerichte verlagert werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts "ohne weiteres" bzw. "leicht und einwandfrei" zu erkennen war und die nicht rechtzeitige Aufdeckung der nicht gegebenen Zuständigkeit auf einem offenkundig nachlässigen Fehlverhalten des angerufenen Gerichts beruht. In diesen Fällen stellt es für die Funktionsfähigkeit des angerufenen Gerichts keine nennenswerte Belastung dar, einen fehlgeleiteten Schriftsatz im Rahmen des üblichen Geschäftsgangs an das zuständige Gericht weiterzuleiten.
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Dieses Urteil wurde eingestellt von RA Frank Dohrmann, Bottrop
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